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12-Euro-Mindestlohn – ein Schritt aus der Armut?

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Kategorie: Lohngerechtigkeit & Transparenz
10.02.2022
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Mindestlohn in Deutschland. 8,50 Euro liegen auf einem abgeschlossenem Arbeitsvertrag.

 

Sich um die eigene Existenzgrundlage keine Sorgen machen zu müssen, ist wohl einer der innigsten Wünsche eines jeden Menschen. Mit einem Mindestlohn von 12 Euro soll dieses Fundament nun geschaffen werden. Laut Bundesarbeitsministerium (BMAS) erhalten rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland einen Niedriglohn. Ihr Stundenlohn liegt also deutlich unter dem des durchschnittlichen Deutschen. Betroffen sind unter anderem Reinigungskräfte, Verkäufer*innen und Friseur*innen. Zusätzlich zeichnet sich ab, dass Frauen und Ostdeutsche einen Großteil der Betroffenen ausmachen. Letzteres ist besonders auf die fehlende Tarifbindung zurückzuführen. Wie es zu den 12 Euro Mindestlohn gekommen ist, wer davon betroffen ist und welche Folgen diese Anhebung für die Gesellschaft haben könnte, klärt dieser Artikel.

Ab wann gilt der 12-Euro-Mindestlohn?

Die Erhöhung des Mindestlohns war eines der wesentlichen Wahlversprechen der SPD, um für soziale Gleichheit zu sorgen. Im Wahlkampf versicherte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass dies für rund 10 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland eine Gehaltserhöhung bedeute. Die Ampel-Koalition aus SPD, den Grünen und der FDP hat wenige Monate später beschlossen: Der Mindestlohn von 12 Euro wird am 1. Oktober 2022 eingeführt.

Seit Januar 2022 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 9,82 Euro die Stunde. Mit der Einigung der Regierung soll ein Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil folgen, der die Erhöhung auf 12 Euro brutto beinhaltet. Die Anhebung des Mindestlohns auf 10,45 Euro am 1. Juli soll nicht übersprungen werden. Nach der Erhöhung im Oktober will sich die Mindestlohnkommission wieder beraten. Der Gesetzesentwurf sieht allerdings vor, dass der neue Mindestlohn für 15 Monate nicht verändert wird.

Was ist die Mindestlohnkommission?

Der gesetzliche Mindestlohn wurde 2015 von der Mindestlohnkommission eingeführt. Sie wertet kontinuierlich das Mindestlohngesetz aus und berät unter anderem alle zwei Jahre über die Höhe des Lohns. Dabei berücksichtigt sie, ob der Lohn für die Arbeitnehmer*innen, die Wettbewerbsbedingungen und die einzelnen Branchen angemessen ist. Die Mindestlohnkommission besteht aus einem bzw. einer Vorsitzenden, drei Gewerkschaftsvertreter*innen, drei Arbeitgebervertreter*innen und zwei wissenschaftlichen Mitgliedern. Letztere haben nur eine beratende Funktion und kein Stimmrecht.

Wer hat Anspruch auf die 12-Euro-Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 18 Jahren. Dazu zählen auch Minijobber*innen, Werkstudent*innen und Aushilfen. Bei einem Mindestlohn von 12 Euro und einer 40-Stunden-Woche würden Arbeitnehmer*innen beispielsweise 2.080 Euro brutto verdienen. Vom Mindestlohn ausgenommen sind der Großteil aller Praktikant*innen, Auszubildende, Minderjährige ohne Berufsabschluss und Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Beschäftigungsbeginn. Auch Ehrenamtliche bekommen keinen Mindestlohn.

Konfliktpotenzial: 12-Euro-Mindestlohn für Minijobberinnen und Minijobber

Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro bedeutet für Minijobbende auf 450-Euro-Basis, dass sie ihre Arbeitsstunden drastisch reduzieren müssen. Für Arbeitgeber heißt das, dass sie weniger Arbeitskraft zur Verfügung haben. Um dem entgegenzuwirken, soll die Minijob-Grenze auf 520 Euro angehoben werden, sodass wöchentlich 10 Stunden gearbeitet werden können.

Tarifverträge, Branchenmindestlöhne und Leiharbeitende

Arbeitnehmende in Tarifverträge, dazu zählen auch Leiharbeitende, müssen mindestens den Mindestlohn erhalten. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer*innen in einem Tarifvertrag den Mindestlohn erhalten, der im Vertrag steht. Was ist nun aber, wenn der tarifliche Mindestlohn nach der gesetzlichen Mindestlohnanhebung unter 12 Euro liegt?

Tarifverträge dürfen nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Es ist also die Aufgabe der Arbeitgeber, die Löhne ihrer Arbeitnehmenden anzupassen. Gleiches gilt für die Branchenmindestlöhne, die je nach Branche und Bundesland unterschiedlich hoch sein dürfen.

Welche Folgen hat ein 12-Euro-Mindestlohn?

Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro wird von Arbeitgebervertreter*innen stark kritisiert. NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst warnt vor einem Anstieg der Schwarzarbeit, durch den rasanten Sprung der Mindestlohnhöhe von 20 Prozent. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger wies außerdem darauf hin, dass die Mindestlohnerhöhung durch die Ampel-Regierung gegen die Tarifautonomie ginge. Diese beinhaltet nämlich, dass Tarifverträge die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eigenständig regeln. Kritiker*innen befürchten, dass Angelegenheiten bezüglich des Mindestlohns bald nicht mehr von Gewerkschaften und Arbeitgeber, sondern durch politische Parteien geklärt werden.

Weiterhin wird kritisiert, dass durch den Anstieg des Mindestlohns viele Arbeitsplätze verloren gehen werden. Arbeitgeber könnten die gestiegenen Personalkosten nicht händeln. Im Gesetzesentwurf wird prognostiziert, dass die Personalkosten um 1,63 Milliarden ansteigen. Zusätzlich glauben Expert*innen, dass gerade Branchen, die von der Corona-Krise stark getroffen wurden, wie die Gastronomie, einen Kostenanstieg nicht ausgleichen könnten. Ähnliche Prognosen gab auch schon die Deutsche Bank für die Einführung des Mindestlohns 2015. Sie fürchtete, dass eine Million Arbeitsplätze verloren gehen würden, jedoch ist dies nicht eingetreten. Stattdessen wurden Arbeitsplätze im fünfstelligen Bereich geschaffen. Auf die gestiegenen Kosten durch den Mindestlohn reagierten Betriebe mit einer Erhöhung der Preise von Produkten und Dienstleistungen.

Mehr Geld für Beschäftigte ohne Tarifvertrag

Die Ampel-Regierung hebt die Vorteile des 12-Euro-Mindestlohns hervor. Ein erhöhter Stundenlohn wird es Geringverdienerinnen und Geringverdienern ermöglichen, ihr Existenzminimum abzusichern. Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass gerade Beschäftigte ohne Tarifvertrag von dem neuen Mindestlohn profitieren würden. 30 Prozent der Arbeitnehmer*innen, die hauptberuflich nicht in einem Tarifvertrag angestellt sind, arbeiten für einen Niedriglohn. Von den Beschäftigten, die in einem Tarifverhältnis angestellt sind, sind es nur 9,5 Prozent.

Mehr Gehalt könnte auch dazu führen, dass Angestellte motivierter und produktiver im Arbeitsalltag wären. Zeitgleich rechnen Expert*innen des Hannoveraner Pestel-Instituts, ein Forschungsinstitut und Dienstleister für Unternehmen, mit einer Steigerung der Kaufkraft von rund 9,8 Milliarden Euro im Jahr.

Nicht nur Arbeitnehmer*innen können von gestiegenen Einnahmen sprechen. Das Bundesarbeitsministerium kündigt an, dass auch gesetzliche Sozialversicherungen mit mehr Einkünften rechnen können. Da sich Sozialversicherungsbeiträge an dem Einkommen orientieren, werden viele Beschäftigte mehr Beiträge zahlen müssen. Gleichzeitig werden Bund und Kommunen entlastet, weil Geringverdiener weniger Sozialleistungen in Anspruch nehmen werden.

 

Quellen:

Deutscher Gewerkschaftsbund

Merkur

Rbb

Spiegel

Tagesschau

Verdi

Wirtschaftsdienst

Wirtschaftswoche

ZDF

 

Autorin: Alicja Grüllenberger

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