Mehr Gehalt durch Kirchenaustritt vertretbar?

In Deutschland besteht eine Kirchensteuerpflicht, wenn man Mitglied einer kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft ist. Die Frage lautet, ob diese Pflicht nicht einem freiwilligen Beitrag weichen sollte, denn diese Steuerpflicht rührt aus vergangenen Zeiten her und zwingt jeden katholischen oder evangelischen Berufstätigen, die Kirche finanziell zu unterstützen.
Warum gibt es die Kirchensteuer?
Die Kirchensteuer wurde im 19. Jahrhundert als Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel eingeführt und stellte die Kirchenfinanzierung auf eine ganz neue Grundlage. Dies war notwendig, weil die mittelalterliche Praxis der Kirchenfinanzierung nach der Französischen Revolution von 1789 und der anschließenden Besetzung Deutschlands durch Napoleon zusammenbrach. Dazu trug neben der Abschaffung des Kirchenzehnten auch die Beschlagnahmung von Kirchengütern während der Säkularisation bei.
Auch die politische Situation änderte sich während der napoleonischen Ära. Die Großstädte wurden neu organisiert und infolgedessen hat die Bevölkerung vieler Regierungsbezirke keine einheitliche Konfession mehr. Zudem schwand das enge Verhältnis zwischen Regierung und Kirche allmählich.
Die Kirche war nun auf die Selbstverwaltung angewiesen, um die steigenden Kosten zu decken. Mit der Aufstockung von Personal, neuen Ruhestätten und Neubauten gerät die Kirche in finanzielle Schwierigkeiten. Staatliche Zuschüsse und Kredite konnten diese finanziellen Schwierigkeiten bald schon nicht mehr lösen. Mit der Kirchensteuer sollte eine neue Einnahmequelle geschaffen werden.
Aber die Kirche hatte nicht das Recht, ihre eigenen Steuern zu genehmigen. Eine Besteuerung konnte und kann nur unter Mitwirkung des Staates erreicht werden. Im Deutschen Reich gab es diesbezüglich keine einheitlichen Regelungen. Die einzelnen Länder konnten entscheiden, ob sie die entsprechenden Gesetze erlassen. Erst 1875 führte Großherzog Ludwig III. ein einheitliches System ein. Es verlieh allen evangelischen und katholischen Kirchen das Steuerrecht und so wurde 1876 erstmals im ganzen Land eine Kirchensteuer eingezogen. Dieses Recht bestand zunächst nur bei finanziellen Problemen der Kirche, jedoch wurde dieser Zusatz bereits im darauffolgenden Jahr ignoriert. Seitdem wird die Kirchensteuer jährlich verwendet, um den größten Teil der Ausgaben der Kirche zu decken. In Deutschland ist seit 1953 das Finanzamt für die Kirchensteuer zuständig.
Kirchensteuer und Finanzamt
Die Taufe ist der Eintritt in die katholische oder evangelische Kirche. Wer Mitglied bleiben möchte und ein Einkommen bezieht, zahlt automatisch einen gewissen Prozentsatz seiner Lohnsteuer der Kirche. In Bayern und Baden-Württemberg werden 8 Prozent von der Einkommensteuer abgezogen und in den übrigen Bundesländern zahlt der Berufstätige 9 Prozent Kirchensteuer ein. Somit erhöht sich bei einer Lohnerhöhung ebenso die Kirchensteuer. Die Kirche verdient also mit, solange man Mitglied der Glaubensgemeinschaft bleibt. Da die Kirchensteuer vom Staat eingezogen wird, verdient das Finanzamt ebenso mit.
Der Staat zieht die Kirchensteuer ein und dafür bekommt das Finanzamt zwischen 2 und 4,5 Prozent der eingezogenen Kirchensteuer. Das bedeutet, dass der Staat doppelt mitverdient: Zum einen erhält das Finanzamt die Lohnsteuer und zum anderen wird es für die Einziehung der Kirchensteuer, die prozentual nach Höhe der Lohnsteuer berechnet werden, belohnt.
Wer Mitglied der Kirche sein will, aber sich von der Kirchensteuer befreien lassen möchte, wird diese Entscheidung nicht treffen können. Entweder man bleibt Mitglied und zahlt Steuern oder man verlässt die Glaubensgemeinschaft und ist dann auch von den Kirchensteuern befreit. Wer gar keine Kirchensteuer zahlen will, hat also lediglich die Option, aus der Kirche auszutreten. Der Austritt muss bei einer staatlichen Behörde erfolgen und kostet 20 Euro Verwaltungsgebühren. Die Bescheinigung für den Kirchenaustritt sollte man gut aufbewahren, denn oft wird nach Jahren der Kirchenaustritt angezweifelt. Aktuell sind dabei die Ausgetretenen in der Beweispflicht und sollten sie die Bescheinigung nicht vorzeigen können, droht eine Kirchensteuernachzahlung für die letzten sechs Jahre.
Wer in der Kirche bleiben möchten, kann auch ohne Austritt ein wenig Geld sparen. Denn Kirchensteuern und Kirchengelder sind als Sonderausgaben unbegrenzt abzugsfähig und können in der Steuererklärung aufgeführt werden. Zudem können in den meisten Bundesländern Kirchenmitglieder mit sehr hohem Einkommen ihre Kirchensteuern begrenzen. Dann ist diese auf 2,75 Prozent bis 3,5 Prozent des zu versteuernden Einkommens begrenzt. In einigen Bundesländern muss dafür ein Antrag gestellt werden, in anderen wendet das Finanzamt diese Begrenzung automatisch an.
Wofür werden die Einnahmen der Kirchensteuern eingesetzt?
Im Jahr 2021 nahm die Katholische Kirche rund 6,73 Milliarden Euro, die evangelische Kirche ca. 5,99 Milliarden Euro durch die Kirchensteuer ein. Mit den Kirchensteuern wird unter anderem das Kirchenpersonal bezahlt. Darunter Gehälter der Mitarbeiter*innen von sozialen Einrichtungen und Verwaltungen.
Weiterhin werden mit dem Geld Kirchenbauten finanziert. Für soziale Zwecke wird nur ein kleiner Teil der Kirchensteuern benutzt. Die Krankenhäuser der Kirche werden beispielsweise nicht von den Kirchensteuern finanziert. Diese Einrichtungen werden durch Investitionen des Staats, Eigenbeträge der Kranken, Sozialversicherungsträger und Krankenkassen bezahlt. Obwohl das Finanzamt die Kirchensteuern eintreibt, darf es nicht überprüfen, wozu diese Gelder verwendet werden.
Freiwilliger Mitgliedsbeitrag statt Pflichtzahlung
Trotz der vielen karitativen Aktivitäten der Kirche wurde die Verwendung von Steuern durch die Kirche kritisiert. So ist beispielsweise die aufwendige Renovierung des Bischofssitzes in Limburg in schlechter Erinnerung der Steuerzahler geblieben. Zudem genießen Kirchen, trotz Trennung vom Staat, etliche Sonderrechte. Dazu gehört, dass die Katholische Kirche Mitarbeiter*innen in staatlich finanzierten Schulen und Kindertagesstätten vor allem wegen Homosexualität oder Scheidung kündigen kann.
Bei Gläubigen kommt es oft zu Gewissenskonflikten: Viele wollen mit einem Kirchenaustritt gegen Missstände protestieren, verlieren nach dem Kirchenaustritt aber fast alle religiösen Privilegien. Beispielsweise dürfen sie nach ihrem Austritt nicht mehr die Kommunion empfangen und nur noch mit besonderer Genehmigung in der Kirche heiraten.
Andere Länder machen es bereits vor, wie es besser funktionieren könnte. Tatsächlich gibt es in vielen europäischen Ländern keine verpflichtende Kirchensteuer. Zum Beispiel können Steuerzahler in Italien entscheiden, ob sie eine Steuer von 0,8 Prozent ihres Einkommens an Religionsgemeinschaften oder an ein staatliches Förderprogramm für soziale oder kulturelle Einrichtungen zahlen. Auch in Spanien, Island und Ungarn gibt es ähnliche Regelungen. Kirchen müssen daher für die Unterstützung ihrer Gläubiger werben und sind so gezwungen, auch gegen Missstände innerhalb der Kirche vorzugehen. Zudem profitieren auch andere Gemeinwohl-Organisationen von so einer Regelung.