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Menstruationsurlaub: Auch in Deutschland denkbar?

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Kategorie: Karriere & Ratgeber
02.05.2023
Ein Stapel Binden und Tampons mit einer roten Rosenblüte.

Ob Regelschmerzen, Krämpfe, Rückenschmerzen, Übelkeit oder Verdauungsprobleme — Bei vielen Frauen geht die Periode mit Beschwerden einher, die die Bewältigung des Alltags erheblich erschweren. Besonders im Job wird dies häufig zum Problem: Laut der Techniker Krankenkasse haben 10 bis 20 Prozent der Frauen so starke Beschwerden, dass sie einen bis drei Tage im Monat nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. 

Bisher gibt es für diese Frauen in Deutschland nur die Möglichkeit, sich jeden Monat erneut krankschreiben zu lassen. Doch andere Länder zeigen einen alternativen Weg auf: Der sogenannte Menstruationsurlaub gewährt Frauen das Recht, während ihrer Periode zu Hause zu bleiben. Je nach Umsetzung handelt es sich um bezahlten oder unbezahlten Sonderurlaub oder um Krankenstandstage, die Frauen regelmäßig in Anspruch nehmen können, ohne einen spezifischen Grund dafür angeben zu müssen. Der Begriff Urlaub ist freilich irreführend, denn Urlaubsgefühle verspüren Arbeitnehmerinnen, die während der Periode ganze Tage mit schmerzhaften Krämpfen auf dem Sofa verbringen, nicht. In der Debatte ist daher auch die internationale Bezeichnung Menstrual Leave geläufig.   

Wo gibt es den Menstruationsurlaub bereits?

Eine lange Tradition hat der Menstruationsurlaub in vielen asiatischen Ländern. In Taiwan können Bürgerinnen pro Jahr drei Tage Menstruationsurlaub nehmen, in Südkorea und Japan ist es ein Tag im Monat. Auch im afrikanischen Sambia haben Arbeitnehmerinnen einen gesetzlichen Anspruch auf einen freien Tag pro Monat.  

In Europa ist Spanien das bislang einzige Land, das einen Menstruationsurlaub eingeführt hat. Das 2022 verabschiedete Gesetz gibt Frauen das Recht, bei starken Regelschmerzen bis zu drei Tage im Monat zu Hause zu bleiben. Der Fall ist allerdings nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar, denn das spanische System der Krankschreibung funktioniert grundlegend anders als bei uns. So erhalten Spanierinnen in den ersten drei Krankheitstagen keine Lohnfortzahlung. Frauen, die wegen Menstruationsbeschwerden ein bis drei Tage ausfallen, bekamen also vor der Gesetzesänderung für diese Tage überhaupt kein Geld.

Unabhängig von der lokalen Gesetzgebung gewähren einige Unternehmen ihren Angestellten Menstruationsurlaub, wie z. B. das britische Event-Unternehmen Coexist. Dessen „Period Policy“ soll dem Unternehmen zufolge Frauen mehr Flexibilität und ein angenehmeres Arbeitsumfeld bieten.

Warum ist ein Menstruationsurlaub sinnvoll?

Befürworter des Menstruationsurlaubs erhoffen sich von der Regelung eine höhere Produktivität am Arbeitsplatz. Das Argument: Wer sich schlecht fühlt, arbeitet auch schlechter - insbesondere in körperlich anstrengenden Berufen. Ein bis drei bezahlte freie Tage im Monat würden Frauen ihre Motivation zurückgeben und die Produktivität steigern, wenn sie zurück am Arbeitsplatz sind.  Zudem könne die Auszeit gesundheitsfördernd sein, etwa wenn durch die Zeit zu Hause auf Schmerztabletten verzichtet werden kann.  

Darüber hinaus soll mit dem Menstrual Leave ein Abbau des Menstruationstabus einhergehen. Denn die?Menstruation?ist in der Arbeitswelt noch immer ein Tabu-Thema, eine Krankmeldung fällt vielen Menstruierenden schwer. Im Rahmen des Menstruationsurlaubs könnten Betroffene offen über ihre Beschwerden sprechen und müssten keine Ausreden für ihr Fehlen finden.  Deshalb wird der Menstruationsurlaub auch als Instrument zur Förderung der Geschlechtergleichstellung betrachtet. 

Was spricht gegen die Einführung des Menstruationsurlaubs?

Kritiker des Menstrual Leave haben die Sorge, dass Frauen im Zuge des Gesetzes auf dem Arbeitsmarkt noch weiter benachteiligt werden könnten als bisher. So könnten sich Arbeitnehmer schwertun, Frauen einzustellen, da ihnen mehr Urlaub zustehen würde und die Lohnkosten für das Unternehmen höher wären. Außerdem müssten Frauen ihre männlichen Vorgesetzten über ihre Menstruation informieren, was für viele unangenehm sein könnte. Ein weiteres Argument gegen den Menstrual Leave ist, dass er zu Diskriminierung und Stigmatisierung von Frauen führen und das Arbeitsklima negativ beeinflussen könnte. 

Tatsächlich zeigen Studien, dass in Japan die Zahl der Frauen, die den Menstruationsurlaub in Anspruch nehmen, stetig sinkt. Nur zehn Prozent der Frauen machen von den ihnen zustehenden Tagen Gebrauch. Grund dafür ist vor allem die Sorge um die Privatsphäre und die Sicherheit des Arbeitsplatzes.  

In Deutschland wird oft die Frage gestellt, ob ein solcher Sonderurlaub überhaupt notwendig ist. Im Gegensatz zu Spanien können sich Frauen hierzulande wegen Menstruationsbeschwerden krankschreiben lassen und erhalten dabei weiterhin ihr volles Gehalt. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass Arbeitnehmerinnen nicht den genauen Grund ihres Fehlens angeben müssen. 

Menstruationsurlaub: Ein gutes Modell für Deutschland?

Fakt ist: Die Einführung des Menstruationsurlaubs ist in Deutschland nicht in Sicht. Derzeit gibt es nur vereinzelte Stimmen aus der Politik, die sich für ein solches Gesetz aussprechen. So forderte der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, dass Frauen, die während der Menstruation unter starken Schmerzen leiden, zwei zusätzliche Tage im Monat frei bekommen sollten. Ein ärztliches Attest solle dafür nicht nötig sein. Auch die Grünen-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther sprach sich für menstruationsfreundlichere Arbeitsbedingungen aus. Ziel sei eine flexible und unbürokratische Freistellung für die Betroffenen.  

Allerdings dürfte ein Menstruationsurlaub in Deutschland schon aus arbeitsrechtlichen Gründen schwer durchsetzbar sein. So schreibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, dass niemand wegen seines Geschlechts diskriminiert werden darf. Arbeitgeber würden sich damit der Gefahr aussetzen, dass männliche Kollegen mit dem Argument der Gleichbehandlung den gleichen Urlaub einfordern. 

Eine Alternative, die dieses Problem umgehen könnte, ist das Modell des unbegrenzten Urlaubs auf Vertrauensbasis. Erste Beispiele zeigen: In Betrieben mit unbegrenztem Urlaub nehmen die Beschäftigten rund 30 Tage Urlaub im Jahr, was nur geringfügig über dem Bundesdurchschnitt liegt.  

Doch egal ob Krankschreibung, Menstruationsurlaub oder unbegrenzter Urlaub: Die Diskussion zeigt, dass die Arbeitswelt grundsätzlich eine Enttabuisierung der Menstruation braucht. Krankheitstage aufgrund von Regelschmerzen sollten ohne Stigmatisierung möglich sein. Dazu bedarf es einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung mit dem Thema Menstruationsbeschwerden. 

Um den Arbeitsplatz für Menstruierende freundlicher zu gestalten, können Arbeitgeber bereits jetzt folgende Maßnahmen ergreifen: 

  • Zur Verfügung stellen von Hygieneartikeln wie Tampons und Binden in den Toiletten 
  • Ermutigung der Mitarbeiterinnen, offen über ihre Menstruationsbeschwerden zu sprechen und Verständnis dafür zu zeigen 
  • Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, um Frauen die Möglichkeit zu geben, Pausen zu machen oder früher nach Hause zu gehen, wenn nötig 
  • Möglichkeit zum Arbeiten von zu Hause aus, wenn die Menstruationsbeschwerden zu stark sind, um ins Büro zu kommen 
  • Sensibilisierung der männlichen Kollegen und Vorgesetzten für das Thema und Förderung eines offenen Dialogs darüber. 
  • Lockerung der Kleidungsvorschrift. Arbeitgeber können ihren Mitarbeiterinnen erlauben, während ihrer Periode bequemere Kleidung zu tragen, die weniger einschränkend ist und ihnen mehr Bewegungsfreiheit gibt. 

Quellen:

Emotion.de 

Frauenaerzte-im-netz.de 

Oegb.at 

Rnd.de 

Spiegel.de 

Tk.de 

Washingtonpost.com 

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