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30 Jahre Wiedervereinigung: So groß ist die Lohnlücke wirklich

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Kategorie: Lohngerechtigkeit & Transparenz
28.09.2020
Landkarte Frankfurt ©Falk, Kartendaten MAIRDUMONT, 73760 Ostfildern, https://falk.de

Drei Jahrzehnte ist es nun schon her, dass aus Ost und West wieder Eins geworden ist. Während manch eine*r bei diesem Jubiläum in Erinnerung an frühere Zeiten schwelgt, sind längst Menschen berufstätig, die Deutschland nur als Einheit kennen und für die die offene Grenzen und Freiheit in der Berufs- und Standortwahl selbstverständlich sind. Dass es noch immer massive Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern gibt, zeigt sich jedoch immer wieder. Besonders dann, wenn es um Karriere- und Verdienstmöglichkeiten geht.

Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind die Gehälter in den ehemaligen Ost- und Westgebieten noch immer nicht auf demselben Niveau. So verdienen ostdeutsche Arbeitnehmer*innen nach wie vor weniger als ihre westdeutschen Kolleg*innen. Während das Gehalt für Beschäftigte in Westdeutschland bei 43.900 Euro pro Jahr liegt, erhalten Fach- und Führungskräfte in Ostdeutschland einen Jahreslohn in Höhe von 36.500 Euro.

Doch ähnlich wie beim Gender-Pay-Gap sind blanke Zahlen wenig aussagekräftig. In unserer Ost-West-Studie zum 30-jährigen Jubiläum der wiedervereinigten Bundesrepublik haben wir deshalb auf Basis von 143.953 Datensätzen die bereinigte und unbereinigte Lohnlücke zwischen Ost- und Westdeutschland ermittelt. Hierfür wurden Lebenshaltungskosten, Unternehmensgröße, Branche, Beruf, Geschlecht, Anforderung an die Stelle, Ausbildung und Position berücksichtigt.

Im folgenden Beitrag sind die Angaben als Bruttojahresgehälter im Median zu verstehen. Der Median beschreibt die Mitte aller Daten: 50 Prozent liegen über dem Wert, 50 Prozent darunter. Der Median ist daher genauer als der Durchschnittswert, der durch Ausreißer verzerrt werden kann.

Der kleine aber feine Unterschied

Wie auch bei der Berechnungsmethode des Gender Pay Gaps lassen sich Gehälter auf verschiedene Weisen vergleichen. Doch was ist der Unterschied zwischen der bereinigten und der unbereinigten Entgeltlücke?

Die bereinigte Entgeltlücke

In dieser Methode werden nur Gehälter unter exakt gleichen Bedingungen miteinander verglichen. Das bedeutet, dass für den Vergleich zwischen Ost- und Westgehältern die Branche, der Beruf, das Geschlecht, die Unternehmensgröße, die Ausbildung, die Lebenshaltungskosten und die Berufserfahrung der Beschäftigten gleich sind. Der einzige verbleibende Unterschied ergibt sich dann durch die Region – daher wird dieser Wert „bereinigte“ Entgeltlücke genannt. Da hier alle (von GEHALT.de erhobenen) Faktoren gleich sind – bis auf die Region – wird dieser Wert „bereinigte“ Entgeltlücke genannt.

Die unbereinigte Entgeltlücke

Hierfür werden die Gehälter der Beschäftigten aus Ost- und Westdeutschland in ihrer Gesamtheit miteinander verglichen. Sie wird „unbereinigte“ Entgeltlücke genannt, da die Verhältnisse innerhalb der beiden Gruppen ungleich sind. Es gibt zum Beispiel weitaus mehr größere Unternehmen im Westen, die höhere Gehälter zahlen können. Dadurch verschiebt sich das Lohngefälle automatisch zugunsten des Westens.

Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick

Während das Gehalt für alle Beschäftigten (Fach- und Führungskräfte) in Westdeutschland im Median bei rund 43.900 Euro liegt, erhalten Arbeitnehmer*innen in Ostdeutschland einen Jahreslohn in Höhe von 36.500 Euro. Die unbereinigte Lohnlücke beträgt demnach insgesamt 7.440 Euro (16,9 Prozent).

Einen Teil dieses Unterschieds lässt sich relativ einfach erklären. So sind zum Beispiel Differenzen von 595 Euro (1,4 Prozent) auf die Firmengröße und 576 Euro (1,3 Prozent) auf die jeweilige Branche zurückzuführen. Ein weiterer Faktor ist der Beruf selbst, dies erklärt einen weiteren Unterschied in Höhe von 244 Euro (0,6 Prozent).

Im Vergleich zum Osten sind im Westen größere Unternehmen und lukrativere Branchen vertreten, die höhere Gehälter zahlen. Die strukturellen Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern erklären, warum mehr als drei Prozent des Lohngefälles auf die Faktoren Firmengrößen, Branchen und Berufe zurück zu führen sind.“

 

Dr. Philip Bierbach, Geschäftsführer von GEHALT.de

Im Osten sind zudem mehr Frauen berufstätig als im Westen, daher spielt der Gender Pay Gap bzw. das Geschlecht eine Rolle: Dieser Faktor macht 150 Euro (0,3 Prozent) aus.

Die DDR-Historie prägt Ostdeutschland bis heute, denn immer noch sind in den neuen Bundesländern traditionell mehr Frauen berufstätig als in den alten. Da in Deutschland Frauen bei gleicher Arbeit immer noch niedrigere Gehälter als Männer beziehen, bestärkt dies den Gehaltsunterschied zwischen Ost und West.

 

Dr. Philip Bierbach, Geschäfsführer von GEHALT.de

Faktoren wie Ausbildung, Position, Führung und Kommunikationsanforderungen haben laut unserer Analyse nur einen geringen Einfluss auf die Lohnlücke zwischen Ost und West– zusammengefasst erreichen sie lediglich 0,02 Prozent.

Einen stärkeren Anteil haben die Lebenshaltungskosten, der daher unbedingt berücksichtigt werden muss. Laut dem Institut für Wirtschaftsforschung weicht dieser im Osten und Westen stark voneinander ab. So lassen sich 2.300 Euro (5,3 Prozent) der Lücke anhand dieses Faktors erklären. Insgesamt 9,2 Prozent der vorher 16,9 Prozent sind damit erklärbar geworden.

Gehälter und unbereinigte Lohnlücke

  Osten Westen Differenz in %
 Alle Beschäftigten  36.500 € 43.939 € 7.440 € 16,9
 Fachkräfte  34.743 € 41.189 € 6.446 € 15,6
 Führungskräfte 80.912 € 92.238 € 11.326 € 12,3
Gehalt.de

Ost-West-Lohngefälle nach Position

Die Lohnlücken variieren zudem danach, ob Beschäftigte Personalverantwortung tragen oder nicht. Fachkräfte in Ostdeutschland verdienen 34.700 Euro und in Westdeutschland 41.200 Euro. Somit beträgt die Lohnlücke insgesamt rund 6.400 Euro (15,6 Prozent) –  wovon sich lediglich rund 3.000 Euro (7,2 Prozent) durch die oben genannten Faktoren erklären lassen. Das sind nicht einmal die Hälfte. Es bleiben 8,4 Prozent, die laut der Analyse nur auf die Region (Ost- bzw. Westdeutschland) zurückzuführen sind.

(Un)bereinigte Lücken für Fachkräfte

  Differenz in %
 Unbereinigte Lohnlücke 6.446 € 15,6
 Differenz der Faktoren 2.970 € 7,2
 Bereinigte Lücke 3.475 € 8,4

(Un)bereinigte Lücken für Führungskräfte

Geht es in die Führungsetagen, schrumpft die unbereinigte Lücke deutlich. Führungskräfte in Ostdeutschland verdienen rund 80.900 Euro im Jahr; in Westdeutschland 92.200 Euro. Die Lücke liegt unbereinigt bei 11.300 Euro (12,3 Prozent) – davon lassen sich rund 9.000 Euro (9,7 Prozent) durch die Faktoren erklären, 2.400 Euro fallen auf den regionalen Faktor zurück. Damit liegt die diese Lücke bei 2,6 Prozent und fällt kleiner aus als bei den Fachkräften.

(Un)bereinigte Lücken für Führungskräfte

  Differenz   in %
 Unbereinigte Lohnlücke 11.326 € 12,3
 Differenz der Faktoren 8.950 € 9,7
 Bereinigte Lücke 2.376 € 2,6

Großes Gefälle von fast 25 Prozent in der Metallindustrie

Anders als bei dem Vergleich der Gehälter der Fach- und Führungskräfte kann aufgrund einer zu geringen Datenbasis für den Branchenvergleich die bereinigte Lücke leider nicht ausgewiesen werden. Dennoch sticht in dem Vergleich der unbereinigten Lücke die Metallindustrie besonders hervor. Diese liegt hier bei 24,5 Prozent – Beschäftigte im Osten verdienen rund 32.500 Euro und damit 10.600 Euro weniger im Jahr als Beschäftigte im Westen mit 43.100 Euro.

Die Metallbranche gehört zum Industriesektor und ist damit eine typische Wirtschaftsbranche, deren Vergütungsstrukturen wenig mit öffentlichen oder vergleichbaren Tarifverträgen zu tun haben.“

 

Dr. Philip Bierbach, Geschäfsführer von GEHALT.de

Zum Vergleich: In der Dienstleistungsbranche liegt die Lücke bei 14,4 Prozent und in Krankenhäusern bei 14,2 Prozent. In der Forschung ist sie vergleichsweise gering (8,8 Prozent). Fast auf Westniveau lässt sich im Osten in dem Bereich der Feinmechanik und Optik verdienen. Hier beträgt die unbereinigte Lücke lediglich 3,4 Prozent.

Handwerker*innen haben das größte Nachsehen

Ähnlich wie im Branchenvergleich ist auch hinsichtlich der Berufsgruppen nur eine Betrachtung der unbereinigten Lücke möglich. Die kleinste Lücke ist bei den Redakteur*innen mit sieben Prozent bzw. 2.900 Euro vorzufinden. Das größte Nachsehen haben Handwerker*innen. So verdienen Elektriker*innen in Ostdeutschland jährlich 7.700 Euro brutto weniger im Jahr als ihre Kolleg*innen in Westdeutschland. Das sind 19,8 Prozent. Eine noch größere Lücke ist bei den Zerspanungsmechaniker*innen zu finden. Ganze 8.600 Euro erhalten sie jährlich weniger. Das ist mit 23,2 Prozent die größte Lücke.

30 Jahre nach der deutschen Einheit ist die Bundesrepublik in vielen Dingen vereint. Hinsichtlich der Gehaltsstrukturen stellen wir jedoch immer noch große Differenzen zwischen Ost und West fest, die sich nur teilweise durch strukturelle Bedingungen begründen lassen. Der regionale Faktor spielt beim Thema Gehalt offensichtlich noch immer eine große Rolle.

 

Dr. Philip Bierbach, Geschäfsführer von GEHALT.de

Unbereinigte Lohnlücken nach Branchen

 Branche  Osten Westen Differenz in %
 Dienstleistungen 33.452 € 39.087 € 5.635 € 14,4
 Krankenhäuser 36.458 € 42.475 € 6.017 € 14,2
 Metallindustrie 32.535 € 43.087 € 10.552 € 24,5
 Kultur 33.734 € 38.583 € 4.848 € 12,6
 Forschung 39.579 € 43.381 € 3.803 € 8,8
 Feinmechanik
 und Optik
40.566 € 42.013 € 1.447 € 3,4

Unbereinigte Lohnlücken nach Berufsgruppen

 Berufsgruppe Osten Westen Differenz in %
 Bus- o Taxifahrer*in 26.300 € 29.983 € 3.684 € 12,3
 Elektriker*in 31.291 € 39.035 € 7.744 € 19,8
 Fliesenleger*in 26.982 € 30.976 € 3.994 € 12,9
 Pflegefachkraft 34.270 € 38.192 € 3.922 € 10,3
 Zerspanungsmechaniker*in 28.311 € 36.871 € 8.561 € 23,2
 Anlagenmechaniker*in 30.740 € 36.980 € 6.240 € 16,9
 Redakteur*in 38.880 € 41.787 € 2.907 € 7
 Labortechnische Assistenz 31.384 € 36.362 € 4.978 € 13,7
 Augenoptiker*in 27.841 € 31.338 € 3.497 € 11,2
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