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Überarbeitet und unterbezahlt: Tarifkonflikte in Sozial- und Erziehungsberufen

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Kategorie: Branchen & Verdienstmöglichkeiten
18.03.2022
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Der Druck auf die Soziale Arbeit ist nicht nur wegen der Corona-Pandemie in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die Corona-Pandemie hat jedoch 2020 die Gewerkschaften bei ihrem Vorhaben, endlich für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, erheblich ausgebremst. Anfang des Jahres konnten die Tarifverhandlungen im Sozialdienst und Erziehungsdienst schließlich starten. Und das ist auch dringend nötig, denn alleine in Kitas fehlen aktuell rund 173.000 Fachkräfte. Mit Blick auf weitere Sozial- und Erziehungsdienste (SuE) sind es sogar noch weitaus mehr. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) stellte 2021 durch eine Befragung von 4.500 Kitas fest, dass diese teils sogar notgedrungen an einem Tag pro Woche mit weniger Personal, als vorgegeben arbeiten mussten. Erzieher und Erzieherinnen können in dieser Zeit ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen, insbesondere weil in vielen Erziehungseinrichtungen der empfohlene Personalschlüssel ohnehin nicht eingehalten werden kann. Anstatt auf drei Kinder aufzupassen, muss ein*e Erzieher*in teils auf 5,5 Kleinkinder achtgeben. Die Folge sind Belastungen, die zu einem vermehrten Fehlen und auch zu einem geschwächten Immunsystem führen. Und auch die Kinder leiden unter der Situation, wenn ihnen durch die geringeren Betreuungsmöglichkeiten Hindernisse in der sprachlichen, motorischen und emotionalen Entwicklung in den Weg gelegt werden. Teils müssen Kindergärten daher auf Personal zurückgreifen, welches sie früher aufgrund der mangelnden Eignung nicht eingestellt hätten, und viele Erzieher*innen brechen aufgrund der frühen Überarbeitung ihre Ausbildung auch noch ab. Die schlechten Arbeitsbedingungen wurden in den letzten zwei Jahren durch die Corona-Pandemie nochmals verstärkt.

Die Gewerkschaften fordern daher keine normale Lohnerhöhung, sondern eine überfällige Aufwertung der Berufe im Sozialdienst und Erziehungsdienst. Wie das in der Vorstellung der Gewerkschaften aussehen soll und ob diese Maßnahmen am Ende genügen, um den Personalschlüssel in sozialen Bereichen endlich anzuheben, bespricht dieser Artikel.

Keine Lohnerhöhung, sondern eine Aufwertung

Die Forderung einer Aufwertung stellten die Gewerkschaften bereits im März 2020, wurden jedoch aufgrund der Corona-Pandemie zurückgestellt. Ziel ist hierbei keine normale Lohnerhöhung, sondern eine tatsächliche Aufwertung der Berufsgruppen. Zum Beispiel sollen Erzieher*innen von der Entgeltgruppe S8b in die Gruppe S8a aufsteigen. Damit würde sich das Einstiegsgehalt von rund 2.880 Euro brutto auf ungefähr 2.940 Euro erhöhen. Auch Kinderpfleger*innen und Sozialassistent*innen sollen eine Entgeltgruppe aufsteigen und somit nach EG S4 bezahlt werden. Damit würde das Einstiegsgehalt von aktuell rund 2.530 Euro brutto auf circa 2.680 Euro steigen. Im Hinblick auf eine mögliche Lohnerhöhung der Entgeltgruppen im April 2022 wären es sogar vielleicht rund 2.730 Euro brutto. Auch Sozialarbeiter*innen sollen eine höhere Einstufung erhalten und mit 280 Euro monatlich mehr, genauso viel verdienen wie ein*e Ingenieur*in. Des Weiteren sollen alle Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf Qualifizierung erhalten, womit Kinderpfleger*innen und Sozialassistent*innen zur Erzieher*in aufsteigen könnten.

Für die Schulsozialarbeit verlangen die Gewerkschaften die Festlegung neuer Merkmale, um eine Eingruppierung in die entsprechende Entgeltgruppe zu vereinfachen. Auch sollen künftig die pädagogischen Tätigkeiten von Beschäftigten in offenen Ganztagsschulen besser abgebildet werden. Durch die stetig steigenden Anforderungen soll nicht nur die Eingruppierung der Kita-Leitungen eine Aufwertung erhalten, sondern auch die stellvertretende Kita-Leitung eine neue Pflichtposition darstellen.

Zudem fordern die Gewerkschaften eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Erzieher*innen, indem zum Beispiel Planungszeit, Vorbereitungszeit, Entwicklungsdokumentation und Elterngespräche fest im Dienstplan verankert werden und nicht mehr zu unbezahlter Mehrarbeit führen.

Zusätzlich fordert Verdi, dass auch endlich die Ausbildung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin angepasst wird. Zwar gibt es seit einigen Jahren die dreijährige praxisintegrierte Ausbildung (PIA), die den Auszubildenden eine Vergütung bietet, jedoch wird ein Großteil noch immer nach dem alten Ausbildungssystem auf den Beruf vorbereitet. Hier sind die ersten drei Jahre, die sowohl aus einem schulischen als auch einem praktischen Teil bestehen, unbezahlt. Erst im vierten Ausbildungsjahr erhalten die Auszubildenden ein Monatsgehalt von 1.000 Euro.

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Gewerkschaften ist eine Aufwertung der Berufe in der Behindertenhilfe. So sollen künftig Arbeitserzieher*innen, geprüfte Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung (gFAB ) und Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung mit Sozialpädagogischer Zusatzausbildung (FAB mit SPZ) in der Entgeltordnung unter S 8b mit aufgeführt werden. Des Weiteren sollen auch Personen im handwerklichen Erziehungsdienst in die Entgeltgruppe S 7 eingruppiert werden. Zudem fordern die Gewerkschaften eine Umbenennung und Erhöhung der Heimzulage. Diese Zulage wird in Erziehungsheimen und Jugendwohnheimen gewährt, wenn überwiegend behinderte Personen dort leben. Aktuell beträgt die Heimzulage 40 bis 60 Euro und soll nach den Forderungen auf 150 Euro erhöht werden.

Aktuelle Entgelttabelle für Sozial- und Erziehungsdienste

Entgeltgruppe

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

Stufe 6

S 18

3.954,60

4.060,36

4.584,31

4.977,24

5.566,65

5.926,84

S 17

3.630,87

3.896,65

4.322,33

4.584,31

5.108,21

5.416,02

S 16

3.552,52

3.811,52

4.099,67

4.453,31

4.846,25

5.082,02

S 15

3.420,09

3.667,41

3.929,41

4.230,66

4.715,28

4.924,83

S 14

3.385,53

3.629,81

3.920,94

4.217,08

4.544,56

4.773,76

S 13

3.301,68

3.539,70

3.863,91

4.125,84

4.453,31

4.617,03

S 12

3.292,48

3.529,83

3.840,48

4.115,53

4.456,09

4.600,17

S 11b

3.246,36

3.480,33

3.644,72

4.063,86

4.391,31

4.587,78

S 11a

3.184,84

3.414,31

3.577,32

3.994,89

4.322,33

4.518,80

S 10

2.967,88

3.269,39

3.420,15

3.870,62

4.238,00

4.539,76

S 9

2.942,66

3.154,40

3.401,85

3.763,74

4.105,91

4.368,23

S 8b

2.942,66

3.154,40

3.401,85

3.763,74

4.105,91

4.368,23

S 8a

2.879,77

3.086,91

3.300,62

3.503,09

3.701,02

3.909,16

S 7

2.805,05

3.006,72

3.207,39

3.408,02

3.558,53

3.785,32

S 4

2.682,35

2.875,04

3.050,62

3.169,76

3.282,63

3.458,47

S 3

2.526,93

2.708,24

2.876,92

3.031,80

3.102,66

3.187,31

S 2

2.335,34

2.446,40

2.528,56

2.617,76

2.718,07

2.818,42

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Bruttogehalt:
Durchschnittliches Bruttogehalt bei 40 Wochenstunden

Erste Verhandlungen und Streiks

Die erste Verhandlung mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VKA) am 25. Februar 2022 in Potsdam scheiterte. Zwar betonte die VKA in einigen Bereichen gesprächsbereit zu sein, aber sie kam den Gewerkschaften vorerst nicht entgegen. Außerdem lehnte die VKA die Entlastungsvorschläge gänzlich ab. Hauptargument der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände für die Ablehnungen waren die Kosten. Karin Welge Präsidentin von der VKA sagte kurz nach den Verhandlungen, dass die Forderungen "zu schweren Unwuchten im Tarifgefüge des kommunalen öffentlichen Diensts und zu überproportionalen und nicht finanzierbaren Personalkostensteigerungen führen".

Um ihren Forderungen mehr Druck zu verleihen, riefen die Gewerkschaften sowohl am 8. März 2022 (internationaler Frauentag) als auch am 15. März 2022 (Tag der Sozialen Arbeit) zu Protestaktionen auf. Teils kam es daher zu Kitaschließungen und Eltern mussten auf eine Notbetreuung zurückgreifen. Die nächsten Verhandlungstermine sind für den 21. Und 22. März sowie voraussichtlich für den 16. Und 17. Mai angesetzt.

Nur, wenn sich die Arbeitsbedingungen von Fachkräften verbessert, werden sich wieder mehr Personen für diese Berufe entscheiden und dem aktuellen Personalmangel entgegenwirken. Ob die geforderten Verbesserungen dafür reichen, wird sich erst zeigen, wenn diese akzeptiert und umgesetzt wurden.

Quellen:

Dbb.de

Haufe.de

Nd-aktuell.de

Oeffentlicher-dienst-news.de

Tagesschau

VBE

Verdi

Welt.de

Zeit.de

 

Autorin: Jasmin Dahler

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