Vier-Tage-Woche: Die Vor- und Nachteile

Gleitzeit, Home-Office oder Remote Work – durch die Digitalisierung und Globalisierung haben sich viele neue Arbeitsmodelle entwickelt. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Arbeitnehmer*innen auch die Vier-Tage-Woche wünschen. Diese verspricht flexibleres und effizienteres Arbeiten und mehr Freizeit. Davon würden somit beide Seiten profitieren: Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen. Doch ist die Vier-Tage-Woche überhaupt realistisch? Gibt es dieses Arbeitsmodell schon und welche Vor- und Nachteile hat es? Auf diese Fragen gibt dieser Artikel eine Antwort.
Was ist die Vier-Tage-Woche?
Die 4-Tage-Woche ist ein neues Arbeitszeitmodell, das eine Alternative zur klassischen 5-Tage-Woche darstellen soll. Dabei gibt es zwei verschiedene Modelle. Im ersten Model arbeiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur noch vier anstelle von fünf Tagen die Woche und bekommen dadurch einen zusätzlichen Tag frei. Die Grundidee des ersten Modells ist, dass in diesem Konzept nicht weniger gearbeitet wird – die 40-Stunden-Woche wird lediglich auf vier Tage verteilt, also werden an einem Tag etwa 10 Stunden gearbeitet. Diese maximale Stundenzahl darf nicht überschritten werden, da das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) eine maximale Arbeitszeit von 10 Stunden pro Tag vorschreibt. Gleichwohl soll der Urlaubsanspruch erhalten bleiben, jedoch reduzieren sich die tatsächlichen Urlaubstage mit der 4-Tage-Woche. Unternehmen entscheiden, wie die zu leistende Arbeitszeit konkret ausfällt.
Das zweite Modell verkürzt im Zuge der Arbeitstage auch die Arbeitszeit auf 32 Stunden pro Woche. Dabei bleibt das monatliche Gehalt jedoch mit der 40-Stunden-Woche identisch.
Von diesem Entwurf sollen in erster Linie die Arbeitnehmer*innen profitieren, indem sie durch einen zusätzlichen freien Tag mehr Freizeit erhalten. Aber auch die Arbeitgeber profitieren davon, etwa durch die Steigerung der Mitarbeiterproduktivität und die Verringerung des Krankenstands.
Warum ist eine Vier-Tage-Woche notwendig?
Anders als bei der 5-Tage-Woche ist es unmöglich festzustellen, woher die Idee der 4-Tage-Woche stammt. Dennoch lässt sich schon mit der Einführung der Fünf-Tage-Woche erkennen, dass die Arbeitswelt ständigen Wechseln unterläuft und sich den gesellschaftlichen Veränderungen und Bedürfnissen anpasst.
Lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Deutschen Kaiserreich 1871 noch bei rund 72 Wochenstunden, so ist sie seit der deutschen Wiedervereinigung auf 39,7 Wochenstunden gesunken. Dies lag vor allem an der Arbeiterbewegung, die sich seit Beginn der industriellen Revolution für die Interessen von Arbeitnehmer*innen, die durch tägliche Arbeitszeiten zwischen 14 und 16 Stunden gesundheitlich gefährdet waren, stark machten. Der 10-Stunden-Tag wurde um 1900 eingeführt und 1919 durch den 8-Stunden-Tag ersetzt. Die 40-Stunden-Woche bzw. 5-Tage-Woche entstand 1965 mit der Bundesrepublik.
Somit stellt die Diskussion um eine erneute Änderung des Arbeitszeitmodells keine Neuerung dar. Mittlerweile wurde das Konzept mit vier Arbeitstagen in der Woche schon getestet. Das prominenteste Beispiel ist Microsoft in Japan, welches 2019 das neue 4-Tage-System mit Erfolg getestet hat: Die Produktivität der Arbeitnehmer*innen stieg um 40 Prozent. Um die Vier-Tage-Woche umzusetzen, legte das Unternehmen jedoch einige interne Regeln fest. So durften Meetings nicht mehr länger als 30 Minuten dauern. Auch Großbritannien hat im Juni 2022 einen positiven Effekt durch die 4-Tage-Woche erzielen können. Über 70 Unternehmen mit mehreren Tausend Angestellten haben die gleiche Arbeit in weniger Zeit, aber zu gleichem Gehalt geleistet. Die Erkenntnis: gestiegene Effizienz, höhere Produktivität und eine bessere Work-Life-Balance.
Wo gibt es die Vier-Tage-Woche schon?
Neben den Testversuchen zum neuen Arbeitszeitmodell gibt es bereits erste Länder, die die 4-Tage-Woche fest einführen wollen. Dazu zählt Belgien, wo im Februar 2022 verkündet wurde, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf die 4-Tage-Woche bekommen. Belgien setzt dabei auf das erste Modell der 4-Tage-Woche. Somit hätten Arbeitnehmer*innen an den vier Tagen zwar längere Arbeitszeiten, dafür allerdings drei ganze Tage frei, wenn sie sich für diese Arbeitsform entscheiden. Auch Spanien möchte die 4-Tage-Woche testen, weshalb sie ab Herbst 2022 für ein Jahr ein Modellprojekt starten, um die Unternehmen davon zu überzeugen, das neue Arbeitszeitmodell zu nutzen. Spanien setzt dabei jedoch auf das zweite Modell, wodurch sich auch die Arbeitszeit der Spanier*innen verkürzen wird.
Einige Unternehmen haben ebenfalls den Schritt zur Vier-Tage-Woche schon gewagt. Dazu gehören US-amerikanische Unternehmen wie Bolt oder Basecamp, aber auch deutsche Arbeitgeber wie die Comdirect Bank, Meier Bauelemente oder Bike Citizens. Während sich die Arbeitnehmenden bei der Comdirect Bank zwischen den unterschiedlichen Zeitmodellen entscheiden können, hat Meier Bauelemente die vier Arbeitstage in der Woche für alle eingeführt. Der Übergang verlief reibungslos und führte zu erholten Mitarbeiter*innen und weniger Krankmeldungen. Die Arbeiternehmer*innen des Berliner Start-ups Bike Citizens arbeiten nach erfolgreicher Testphase nun 36 Stunden an vier Tagen pro Woche.
Ist eine 4-Tage-Woche in Deutschland realistisch?
Eine Forsa-Umfrage ergibt, dass sich rund 71 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger eine 4-Tage-Woche wünschen würden. Dies spiegelt sich besonders bei Beschäftigten mit einem höheren Bildungsabschluss und bei 30- bis 44-jährige Arbeiter*innen wider. Diese Verknüpfung hängt damit zusammen, dass es gerade für berufstätige Familien mit Kindern schwierig ist, Arbeit und Kinder zu vereinen, ohne dass Abstriche gemacht werden müssen.
Grundsätzlich überlässt das Grundgesetz die Arbeitszeitgestaltung den Arbeitgeber*innen. Trotzdem sei die Einführung einer 4-Tage-Woche bei vollem Stundenumfang nicht so einfach umzusetzen. Damit nur noch vier anstatt fünf Arbeitstage mit maximal 10 Stunden pro Tag gearbeitet werden kann, muss ein Zeitausgleich stattfinden. Damit muss nachweisbar sein, dass Arbeitnehmer*innen in einem Zeitraum von 24 Wochen durchschnittlich maximal acht Stunden pro Werktag gearbeitet haben. Mit dem zweiten Modell der 4-Tage-Woche also einer Reduzierung der Arbeitszeiten können Arbeitgeber diesem Problem aus dem Weg gehen.
Trotz der positiven Berichte über die Nutzung der 4-Tage-Woche sehen Politiker*innen es kritisch, dieses Konzept für alle Arbeitgeber unabhängig ihrer Betriebsform, Branche und Angestellten einzuführen. Es würde dadurch ein weiteres starres Arbeitszeitmodell entstehen, welches keine Flexibilität erlaubt. Viel eher sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst zwischen den verschiedenen Modellen und ihrem Arbeitsumfang wählen können.
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Vorteile einer Vier-Tage-Woche
Freie Tage für längere Wochenendtrips, Behördengänge oder Arzttermine nutzen und eine verbesserte Psyche sind nur wenige der Vorteile, die die Umstellung auf die 4-Tage-Woche mit sich bringen könnte. Wer statt fünf nur vier Tage pro Woche arbeiten geht, kann von weiteren Faktoren profitieren:
- Bessere Work-Life-Balance
- Mehr Zeit für die Familie, Freunde und Hobbys
- Fahrtkosten reduzieren
- Zeit für Wochenendseminare oder Fortbildungskurse
- Höhere Produktivität und weniger Erschöpfung
In einer Arbeitswoche kann sich Müdigkeit und Erschöpfung ansammeln, die am Wochenende wieder ausgeglichen werden kann. Durch einen zusätzlichen freien Tag kann die Regenerationszeit erhöht werden. Arbeitnehmer*innen haben mehr Zeit, um ihre Akkus wieder aufzuladen, Sport zu treiben oder zu entspannen und sind im Umkehrschluss weniger anfällig für Krankheiten. Gleichzeitig steigt die Motivation und das Stressrisiko sinkt.
Nachteile einer Vier-Tage-Woche
Neben den Vorteilen birgt die 4-Tage-Woche aber auch Nachteile und Unklarheiten. Beispielsweise reduziert sich der Urlaubsanspruch. Hat der Mitarbeiter bei einer Fünf-Tage-Woche zwanzig Tage im Jahr Urlaubsanspruch, reduziert sich die Anzahl der Urlaubstage, wenn er nur vier Tage wöchentlich arbeitet. Dann kann der Mitarbeiter 16 Tage im Jahr Urlaub nehmen. Zusätzlich führt die alleinige Reduzierung der Arbeitstage zu erhöhten Arbeitszeiten pro Tag. Darin sind die Überstunden, die manchmal unweigerlich anfallen, noch nicht enthalten, weshalb ein normaler Arbeitstag im schlimmsten Fall 12 Stunden dauern kann. Diese Problematik würde zudem noch gegen die 10-Stunden-Regel des Arbeitsschutzgesetzes verstoßen. Eltern sehen außerdem noch das Problem der Kinderbetreuung: Eine Betreuung für 10 Stunden zu finden, ist deutlich schwieriger als für acht Stunden.
Der größte Streitpunkt für Arbeitnehmer*innen bei der 4-Tage-Woche betrifft den Lohn. Sinkt mit reduzierter Arbeitszeit auch das Gehalt? Diesen Umstand könnten sich nicht viele Leute leisten, weswegen ein Lohnausgleich gefordert wird. Diesen Lohnausgleich können sich jedoch nicht alle Arbeitgeber leisten. In der Gastronomie würde einer 4-Tage-Woche mehr Arbeitnehmer*innen erfordern, um zum Beispiel ein Restaurant mehrere Tage die Woche zu öffnen. Darüber hinaus stehen auch Angestellte in anderen Branchen bei einer 4-Tage-Woche nicht jeden Tag den Kund*innen und Geschäftspartner*innen zur Verfügung. Der Arbeitgeber muss darauf mit Personalplanung und erhöhter Administration reagieren. Dabei handelt es sich jedoch überwiegend nur um ein anfängliches Problem. In diesem Zusammenhang kann es aber auch an den Tagen zu Umsatzeinbußen kommen, die wenig bis gar nicht besetzt sind. Eine gute Planung kann dies allerdings verhindern, indem Mitarbeiter*innen so eingesetzt werden, dass an allen Tagen jemand erreichbar ist. In wenigen Unternehmen wäre auch eine generelle Schließung am Freitag denkbar.
4-Tage-Woche auch an Schulen? Sachsen-Anhalt macht den Anfang
Obwohl die Vier-Tage-Woche überwiegend im Arbeiterkontext diskutiert wird, lässt es sich jedoch auch auf die Schulen anwenden. So soll dieses Konzept vorerst als Modellversuch zum neuen Schuljahr im August 2022 an mehreren Schulen in Sachsen-Anhalt eingeführt werden. Schülerinnen und Schüler sollen demnach vier Tage in der Woche dem regulären Schulalltag nachgehen und den fünften Tag für ein Praktikum oder für Homeschooling nutzen. Dieses „4+1-Modell“ sieht vor, dass die Schüler*innen in Blöcken von jeweils 80 Minuten unterrichtet werden. Obwohl das Bildungsministerium diesen Entwurf bislang nur als Experiment sieht, wollen sie daraus dennoch Erkenntnisse gewinnen, um die 4-Tage-Woche eventuell auch in den Regelbetrieb einzuführen. Auch wenn dieses Modell als Kampf gegen den Lehrkräftemangel betrachtet wird, soll es laut dem Bildungsministerium überwiegend dazu dienen, Freiräume in der Unterrichtsplanung zu schaffen.
Quellen:
Asana.com
Dup-Magazin.de
Gruender.de
MDR.de
Statista.com
Sueddeutsche.de
Watson.de