Ein Arbeitszeugnis will wohl formuliert sein. Schließlich ist es eine wichtige Grundlage für den Bewerbungsprozess. Jeder Jobwechsel macht ein Arbeitszeugnis erforderlich. Potenzielle Arbeitgeber sollen die Möglichkeit haben, den Wert und die Qualifikation des neuen Mitarbeiters einschätzen zu können.
Für den scheidenden Mitarbeiter ergibt sich der Anspruch eines Arbeitszeugnisses aus dem Gesetz. Dem ehemaligen Arbeitgeber fällt die Pflicht anheim, ein einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis zu formulieren. Das will gelernt sein! Beim einfachen Arbeitszeugnis türmen sich noch kaum Formulierungsprobleme auf. Dauer und Ende des Arbeitsverhältnisses, Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche des ehemaligen Mitarbeiters ergeben sich buchstabengetreu aus der Personalakte und brauchen lediglich abgeschrieben zu werden. Der qualifizierte Teil jedoch wirft mehr Probleme auf.
Der „Standardfall“ dürfte wohl ein durchschnittlicher Arbeitnehmer sein, der seine Aufgaben im Allgemeinen erfüllt hat und dabei mittelmäßige Leistungen erbracht hat. Kann das einfach so formuliert werden? Wie können Verhalten und Leistung treffend beschrieben werden, ohne dabei den Mitarbeiter unnötig schlecht zu machen, aber dabei auch keine falschen oder übertriebenen Tatsachenbehauptungen aufzustellen? Durchschnittliche Würdigung für durchschnittliche Leistungen also? Die Kunst der Formulierung steckt hier wahrlich im Detail! Die Wirklichkeit sieht anders aus, schon seit Jahren werden Arbeitszeugnisse nahezu ausschließlich in Superlativen formuliert. Der Mitarbeiter war „stets“ pünktlich, war bei seinen Kollegen „überaus“ beliebt, erfüllte seine Aufgaben mit „größtem“ Eifer und zur „höchsten“ Zufriedenheit seines Arbeitgebers. Man mag es kaum glauben, aber schon die Abweichung von dieser Grundregel, jede nur leicht negativ interpretierbare Formulierung wird schnell als Abwertung empfunden.
War der Arbeitnehmer also „nur“ pünktlich, wurde er lediglich von seinen Kollegen „geachtet“, „genügte“ er den Anforderungen seines Arbeitgebers, so kommt schon mancher Personalchef des neuen potenziellen Arbeitgebers schnell auf die Idee, er habe eine vollkommene Niete vor sich sitzen. Die Aufgabe, ein Arbeitszeugnis wirklich treffend zu formulieren, ist wahrlich nicht leicht zu stemmen.
In den meisten Fällen will der Ex-Arbeitgeber dem scheidenden Mitarbeiter sicher keine Steine in den Weg legen, aber auch keinen überschwänglich positiven Eindruck aufbauen, der bei genauerem Hinsehen nicht zu rechtfertigen wäre. Was also tun? Viele Arbeitgeber neigen bereits dazu, den Arbeitnehmer selbst mit einzubeziehen. „Wie würden Sie Ihr eigenes Arbeitszeugnis formulieren?“, so lautet die Frage. In gemeinsamer Diskussion des vom Arbeitnehmer geschriebenen „Entwurfs“ finden sich dann häufig Formulierungen, welche den Ansprüchen beider Seiten gerecht werden.