Gehaltslücke zwischen Fach- und Führungskräften: Es muss nachvollziehbar bleiben
„Über Geld spricht man nicht“ – ein Satz, den man immer noch sehr häufig hört und der dazu führt, dass es vielen Menschen schwerfällt, ihr Gehalt einschätzen zu können. Wir von GEHALT.de haben uns das Ziel gesetzt, mit diesem Tabu zu brechen und durch mehr Transparenz zu einer fairen, gleichberechtigten und marktgerechten Vergütung beizutragen.
Aktuell widmen wir uns den Gehaltsgefällen in Deutschland. Auf Basis von datenbasierten Auswertungen haben wir zuletzt die Gehaltsschere zwischen Fachkräften und Führungskräften genauer analysiert. Dazu und zu den Fragen, ob und warum diese Unterschiede gerechtfertigt sind, haben wir mit Karin Schwaer und Marion Weckes gesprochen – zwei Expertinnen in Vergütungsfragen.
Marion Weckes ist Diplom-Volkswirtin und war bis vor kurzem als Referatsleiterin bei der Hans-Böckler-Stiftung tätig. Dort hat sie sich schwerpunktmäßig den Themen Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung sowie Frauen in Führungsgremien gewidmet.
Liebe Frau Weckes, welche Gründe rechtfertigen aus Ihrer Sicht, dass Führungskräfte ein Vielfaches dessen verdienen, was Fachkräfte erhalten?
Führungskräfte verantworten im Vergleich zu Fachkräften im Regelfall ein wesentlich höheres Budget und haben Personalverantwortung. Parallel geht damit oft einher, dass ein Studium oder langjährige Erfahrung vorausgesetzt werden. Würde eine Stelle als Führungskraft nicht auch finanziell lukrativer sein, würde es zwangsläufig langfristig keine Bewerber auf diese Stellen geben.
Welche Gründe sprechen dagegen?
Es spricht meines Erachtens grundsätzlich nichts dagegen, dass Führungskräfte mehr verdienen. Ich denke, dass dies nur angemessen sein muss.
Haben Führungskräfte eine höheres Karriererisiko, also zum Beispiel Jobverlust, Burn-out, Inkompatibilität, und rechtfertigt das ein höheres Gehalt?
Nicht unbedingt. Erfahrungsgemäß ist der Job einer Führungskraft jedoch kein 9-to-5-Job – ganz im Gegenteil. Eine 50-60-Stunden-Woche ist hier eher die Regel als die Ausnahme. Auch Erreichbarkeitszeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit werden erwartet. Bei der Berechnung des Gehalts müsste man deshalb ehrlicherweise auch die geleistete Arbeitszeit berücksichtigen.
Welche alternativen Vergütungsmodelle gibt es?
Es gibt eine Vielzahl von Entlohnungsformen: leistungsorientiert, performanceorientiert, ergebnisorientiert. Letztlich aber bedarf es einer Entlohnungsstruktur im Unternehmen, die Akzeptanz findet und entsprechend der Verantwortung, Kompetenz und Leistung gerecht wird. Die absolute Höhe kann dabei von Branche zu Branche erheblich variieren. Auch zeigt sich immer wieder, dass die Regionalität eine Rolle spielt.
In Amerika ist die Lücke zwischen Fach- und Führungskräften noch viel größer. In Schweden ist das Gegenteil der Fall. Welches Modell funktioniert Ihre
Beides sind Länder, die nicht einfach mit Deutschland zu vergleichen sind. Wir haben zwar viele Branchen, die tarifgebundene Löhne zahlen, aber dennoch sind wir weit weg vom schwedischen Normalfall. Während in Schweden der überwiegende Teil der Berufe tarifgebunden entlohnt wird, erreicht die Tarifbindung in Deutschland noch nicht mal 50 Prozent der Beschäftigten. Und die USA sind noch weniger vergleichbar. Dort herrscht nach wie vor das Hire-and-fire-Prinzip. Ein Kündigungsschutzgesetz, wie wir es kennen, gibt es dort nicht. Eher könnte sich Deutschland ein Beispiel an den Niederlanden nehmen. Dort sind viele Branchentarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt worden. Dies wäre vorteilhaft für die Fachkräfte. Bei uns dagegen zeigt sich, dass die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen äußerst selten und zudem leider auch noch eher rückläufig ist.
Welche Entwicklung beobachten Sie in den letzten Jahren hinsichtlich der Gehaltsunterschiede zwischen Fach- und Führungskräften?
Ich selbst habe lediglich Untersuchungen zur Vergütungsrelation zwischen Vorstandsmitgliedern und Beschäftigten selbst durchgeführt. Da zeigt sich aber, dass die sogenannte Manager to Worker Pay Ratio stark angestiegen ist. Das heißt: Die Vergütungsschere hat sich weit geöffnet. Dies kann auch negative Folgen bedingen, weil die Relationen nicht mehr erklärbar sind und folglich keine Akzeptanz finden.
Welche Entwicklung beobachten Sie in den letzten Jahren hinsichtlich der Gehaltsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften?
Dass es den Gender-Pay-Gap gibt, ist eine Tatsache. Gut ist, dass dieser thematisiert wird. Nur so kann dafür Bewusstsein geschaffen werden und sich folglich etwas ändern. Wenn es um Fachkräfte geht, zeigt sich, dass dort wo Tarifverträge existieren, der Gender-Pay-Gap wesentlich geringer ist. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen würde somit auch hier nutzen.